im #SozBlog hat im juli und august 2013 hubert knoblauch die autorenschaft übernommen. im beitrag vom 28 august erklärte er seine bedenken und reflexion über kommentare im blog und seine eigenen beiträge. in folgendem kommentar möchte ich erklären, wie ich die lust verloren hatte, weiter zu kommentieren…
kommentar: zu beginn traten sie an mit dem anspruch, einen offenen, dialogischen theorieblog zu schreiben. so schrieben sie z.b.: “In diesem Sommer wollte ich den Anlauf unternehmen, die gesammelten Vorarbeiten durchzudenken. Gerade für diesen Prozess erschien mir ein dialogisches Format äußerst passend, weil es erlaubt, die Einsamkeit des Denkens zu durchbrechen und die Theoriearbeit in ein soziales „Diskursuniversum“ zu stellen, der durch das Blog gewährleistet werden sollte.” von dialogischem format war bei den darauffolgenden texten allerdings nicht viel zu entdecken. wie mein vorredner schon anmerkte, handelte es sich um meist monolithische textblöcke; das ist nun – von den verstössen gegen dem genre ‘blog’ inhärenten regeln abgesehen – kein grosses problem, nur waren diese auch inhaltlich nicht dialogisch ausgerichtet. für mich hatten die texte einen überwiegend selbst-referentiellen charakter, zeigten also mehr als neue erkenntnisse oder hypothesen vor allem ihre zugehörigkeit zu einer soziologischen schule – aus der es scheinbar kein entrinnen gab. von der ankündigung der beschäftigung mit dem “kommunikativen konstruktivismus” hatte ich mir dann wirklich viel versprochen, musste jedoch mit enttäuschung feststellen, dass alle ansätze z.B. des radikalen konstruktivismus, systemtheoretischen konstruktivismus, kybernetik 2. ordnung und anderen gegenwärtigen theoriebestrebungen des faches (und anderer disziplinen) vollkommen ausgeblendet wurden. einzig die tradition, die sich selbst auf berger/luckmann gründet war als sozialkonstruktivismus behandelt und dann von ihnen in einer spielart als “kommunikativer konstruktivismus” (wie aus ihren büchern und aufsätzen ja schon lange bekannt) weitergedacht worden. wie man jedoch “kommunikativen konstruktivismus” ohne bezug auf andere konstruktivismen und kommunikationstheoretische ansätze erläutern möchte und das unter der flagge des dialogischen mediums ‘weblog’ ist mir schleierhaft. dieser ausschluss anderer theorien macht doch den dialog gerade unmöglich, den sie wünschen. in dem beitrag, in dem sie sich mit der kritik am “kommunikativen konstruktivismus” auseinandergesetzt haben, wurde dann ja eben nicht (!) auf die kritik im blog eingegangen, sondern auf ausserhalb des blogs (z.b. in aufsätzen, buchpublikationen, etc.) geäusserte kritik bezug genommen. das ist aber doch nicht dialogisch. nicht im sinne des diskursuniversums des mediums (!) zumindest, sondern adressiert das diskursuniversum, in dem ihre theoretischen und empirischen überlegungen sowieso schon zuhause und auch bekannt sind. ich stand also vor den texten und hatte vor lauter selbstreferenzen und verweisen wie: ‘das haben wir auch schon da und dort publiziert’ keine ahnung, was ich schreiben soll. ich hätte es furchtbar spannend gefunden, ein neues, noch offenes theorieproblem zu diskutieren, etwas, bei dem man nicht auf viele andere texte verweisen muss (oder vielleicht könnte und müsste, es aber for the sake of the discussion nicht tut), sondern einzelne perspektiven herausgreift, problematisiert und zur diskussion stellt. etwas, das der offenheit, die dieses medium ermöglicht, dem risikoaffinen der unfertigkeit der texte, usw. entspricht. die verweis-absicherungen im diskurs wirkten auf mich eher abschreckend. inhaltlich konnte ich so wenig beitragen, wenn ich nicht aus wissenssoziologischer sicht heraus und so die damit implizite engführung der soziologie auf diese richtung mittragend argumentieren wollte. und das zeigte sich auch an den kommentaren, die, wenn sie kamen, sich an den problemen festmachten und nicht an den autorenverweisen. sie schrieben am anfang, um dinge abzukürzen würden sie auf schon veröffentlichtes nur verweisen. m.e. waren dies in der regel keine abkürzungen, höchstens vielleicht für eingeschworene. luhmann soll mal gesagt haben, ein guter vortrag achtet auf ein verhältnis von 70% redundanz und 30% neues. die 70% mit literaturverweisen abzukürzen ist m.e. kontraproduktiv – oder eben nicht, will man nur hurra-rufe von eingeschworenen und schweigen von aussenstehenden erreichen. im aktuellen beitrag bedauern sie die oberflächlichkeit wissenschaftlicher kurzvorträge und ich teile dieses bedauern. aber der verweis auf literatur der eigenen tradition schafft genau das: oberflächlichkeit und kritikimmunität oder zumindest demotiviert es kritik und motiviert ‘ach was soll’s’. man hat immer den eindruck, man müsste nun entweder alles und grundsätzlich kritisieren, oder, versuchte man einzelnes herauszugreifen, liefe gefahr aneinander vorbei zu reden, weil man dann immer den versuch unternähme, mit einer dieser theorie fremden perspektive einzelne aspekte der beobachtung zu kritisieren – und sich damit der theoriekonsistenz und internen verweissicherheit ausliefert. es ist dann immer ein ganz oder gar nicht. die leserinnen votierten offensichtlich ab der hälfte für gar nicht. heute nun schrieben sie im anschluss an habermas, dass dessen vermutung eines auf konsens ausgerichteten diskurses mit an wahrheit, richtigkeit und wahrhaftigkeit orientierten akteuren, wenn schon nicht im alltag (wie sie in einem verlinkten text zeigen) so doch zumindest in der wissenschaft angenommen werden können sollte. oder zumindest die forderung nach der vernünftigkeit (auch wenn vernunft dann je ganz unterschiedlich definiert werden würde) als wissenschaftskonstitutiv. hier hätte ich einige argumente einwerfen wollen. vor allem, dass besonders der wissenschaftsdiskurs ja eben nicht (!) auf konsens, sondern explizit auf dissens ausgerichtet ist; dass jede wissenschaftliche behauptung sich explizit dem widerspruch freigibt, der falsifizierung, und dadurch als wissenschaftlich (und nicht z.b. als religiös) qualifiziert – eine diskussion die bewundernswert hartnäckig und nur durch den frühen tod von luhmann beendet, von habermas und luhmann mit selben konfliktlinien geführt wurde. die forderung nach der vernunft in der wissenschaft scheint bisweilen vor allem schon wegen der von ihnen auch erwähnten vielzahl der vernünfte nicht gerade vernünftig zu sein; besonders im hinblick auf das medium ‘blog’ und seine dialogischen möglichkeiten ist mir nicht verständlich, warum es dieser forderung überhaupt bedarf und man nicht viel eher das wagnis sucht, der erhofften vernunft durch die kritik-offenheit der beiträge und der provokation von kommentaren formschaffend auf die sprünge zu helfen und dann quasi zuzusehen, wie es sich entwickelt. mit hans blumenberg zweifelnd: “muss mit der vernunft vernünftig umgegangen werden? und, falls es müsste, könnte es?”
Genau deshalb halte ich ein Blog parallel zur Dissertation oder Master-Arbeit (zu meiner Zeit noch Diplom, aber da gab’s keine Blogs) für sinnvoll, weil man die sich entwickelnden Gedanken erstmal ausformulieren kann, ohne auf 100%ige Konsistenz oder durchgängigen roten Faden zu achten und so eben neue Ideen sich im Diskurs (weiter-)entwickeln zu lassen. Leider ist es bei solchen Blogs dann so, dass die Leserschaft zu gering für größere Diskussionen…
…ist
stimmt! schliesse mich vollumfänglich an – nur sagen die stats, dass dieser eintrag 83 clicks und immer noch 42 besucher hatte, alleine heute. jetzt müssten die nur noch kommentieren :)
schade ist es nur, wenn blogs genutzt werden um doch nur die alte leier weiterzudrehen und nur scheinbar in der form oder sogar nur eben behauptet etwas neues gewagt wird. das blog hier geht sicher weiter, und zwar genau als forschungsbegleitend, für rohes und gekochtes (ums mit levi-strauss zu sagen)
Hinweis: HK hat im Soziologie Forum reagiert